Auf Einladung von Polittunte Patsy l’Amour laLove kamen die Trans-Aktivistin und Autorin Daria Majewski sowie die Polittunte Gaby Tupper am Dienstag zum Austausch über tuntige und trans Generationen in den Sonntags-Club. Daria gab Einblicke in ihre Erfahrungen mit älteren Transfrauen, die in anderen Jahrzehnten bereits zu sich selbst standen und darauf beharrten, so zu leben, wie sie es wollten.

Daria, frisch nach Berlin gezogen, referierte zu Fragen der Transemanzipation und Feminismus. Ihr Interessenschwerpunkt ist die Geschichte der Transgeschlechtlichkeit in der europäischen Moderne. Sie las ihren Text „Ein Strumpfband aus grüner Seide“ vor, in dem es um das Vorgehen der nationalsozialistischen Staatspolizei gegen sog. „männliche Transvestiten“ geht – den Text kann man hier nachlesen.

Die Ausdifferenzierung in LGBTIQ, wie wir sie heute kennen, gab es vor 100 Jahren noch nicht. Daria kam auf das 1910 erschienene Buch „Die Transvestiten“ von Magnus Hirschfeld zu sprechen, in dem er den bis heute bekannten Begriff prägte und verschiedene Trans-Varianten in den Wissenschaftsbetrieb einführte. Trans-Menschen wurden als Gruppe erstmals sichtbar. Und auch damals gab es erste Abgrenzungsbestrebungen: etwa zwischen heterosexuellen und homosexuellen Transvestiten, die nicht miteinander arbeiten wollten. Begründung der homosexuellen Transvestiten: Die heterosexuellen wollen nicht den ganzen Weg gehen und mit Männern schlafen.

Drag können nur Männer?

An Abgrenzungsbestrebungen wie diesen hat sich bis heute nichts geändert. So gibt es Vorwürfe von Trans-Seite gegenüber Drag Queens, sie würden  sich über ihre Trans-Identität lustig machen. Und RuPaul sorgte im vergangenen Jahr für einen Aufschrei, als er sagte, er würde keine Trans-Frauen zu seiner Show „Drag Race“ einladen – denn Drag könnten nur Männer. Dabei hatte ausgerechnet die Teilnehmerin Peppermint ihr Coming-out als Tran-Frau in der Sendung – und tritt weiter in ihren erfolgreichen Shows als Drag Queen auf. Und auch in der Berliner Szene trifft man auf Tunten, die gleichzeitig Trans-Frauen sind.

Queeres Kulturhaus E2H

Gaby Tupper (Foto: Queeres Kulturhaus E2H)

Und noch etwas zum Thema Abgrenzung: Gaby Tupper bewertete es positiv, dass die Teilnehmer der deutschen Show „Queen of Drags“ unisono erklären, sie würden sich gerne in Fummel werfen – aber Frauen sein, das wollen sie nicht.

„Trans ist ganz eigene Identität. Ich würde mir nicht anmassen, über Trans-Menschen zu sprechen oder ihre Identität zu berurteilen.“

„Eine Tunte ist jemand, der zuviel Mode-Geschmack für nur ein Geschlecht besitzt.“

Gaby bewegt sich seit über 23 Jahren in unterschiedlichen Berliner Projekten: Sie engagiert sich u.a. bei der Berliner Aids Hilfe und Enough is Enough. In der AHA präsentiert sie monatlich „TGIF – Trash Goddess in Film“ und bietet musikalische Stadtführungen u. a. zur queeren Historie an. Dort gibt sie immer wieder Anekdoten und Bonmots zum Besten, wie etwa aus dem Film „To Wong Foo“ (1995), in dem es heißt: „Eine Tunte ist jemand, der zuviel Mode-Geschmack für nur ein Geschlecht besitzt.“

Daria beklagte den Trend zur Vereinzelung in der Trans-Community. So werde in Facebook-Gruppen teils aggressiv über Begrifflichkeiten gestritten, Debatten würden wenig bestärkend geführt. Sie berichtete von einer älteren Trans-Frau (80), die schon in den 1980ern ihre Transition hatte. Sie begann, sich in Frauengruppen zu engagieren, aus denen sie aber in den 90er Jahren rausgemobbt wurde – weil sie „keine richtige Frau“ sei. Heute lebt sie einsam und verarmt.

Queeres Kulturhaus E2H

Foto: Queeres Kulturhaus E2H

Im Publikum gab es kritische Wortmeldungen über den Trend zur Kategorisierung und übermäßigen Abgrenzung – das sei ein sehr deutsches Phänomen, hieß es. Daria erinnerte an die Gründung des Bundesverbandes Trans* – bei der es soviel Streit um Kategorien und richtige Namen gab (etwa darüber, wer ist „richtig trans“ ist, es gab regelrechten Hass auf Crossdresser), dass es fast nicht zur Gründung gekommen wäre. Ähnlich wie Anfang der 1930 Jahre die Auseinandersetzung zwischen heterosexuellen und homosexuellen Transvestiten eine Zusammenarbeit unmöglich machte.

Aus der Geschichte lernen

Vielleicht liegt es daran, merkte der langjährige Schwulenaktivist Bernd Gaiser an, der im Publikum saß, dass wir zu selten aus der Geschichte lernen? Einerseits fragen die Jungen zu selten bei Älteren nach, andererseits ziehen sich Ältere irgendwann lieber zurück.