Salon: Lesung mit Traude Bührmann über Monique Wittig
Monique Wittig wurde im elsässischen Departement Haut Rhin geboren. In den 1950er Jahren zog sie nach Paris, wo sie an der Sorbonne studierte. Gleich mit ihrem ersten Roman, „L’Opoponax“ (1964 – bei Rowohlt erschien eine deutsche Übersetzung von Elmar Tophoven) machte sie auf sich aufmerksam – er wurde mit dem renommierten Prix Médicis ausgezeichnet. Schnell wurde der Roman ins Englische übersetzt und fand wiederum großen Anklang.

Bührmann und Kuratorin Mesaoo Wrede (li) im Sonntags-Club (Foto: Hilde Muffel)
Wittig beteiligte sich am Aufstand von Student*innen und Arbeiter*innen im Mai 1968 und erkannte: Die radikalen männlichen Anführer hatten nicht vor, die Führung zu teilen. Wittig war eine der ersten Theoretikerinnen und Aktivistinnen der neuen feministischen Bewegung. In dieser Atmosphäre radikaler politischer Aktionen vollendete sie 1969 das oft als ihr einflussreichstes geltende Werk – „Les Guérillères“. Der Roman ist formal wie inhaltlich revolutionär und wurde vielfach übersetzt und diskutiert; viele große feministische und lesbische Denkerinnen und Schriftstellerinnen auf der ganzen Welt bezogen sich auf Wittig – etwa auch Judith Butler, die sich vor allem auf Wittigs Essays der 1970er Jahre bezog, die in „The straight mind“ zusammengefasst sind.

Foto: Hilde Muffel
Anlässlich des 50. Jubiläums des Erscheinens der „Guérillères“ (deutsch: „Die Verschwörung der Balkis“) fand am Donnerstag unser Salon mit Traude Bührmann statt, zu dem 30 Frauen in den Sonntags-Club gekommen waren, miteinander diskutierten und Textpassagen vorlasen. Bührmann erzählte, dass Wittig mit den Übersetzungen ihrer Werke (vor allem den deutschen und englischen) oft haderte – und dass ihr als Übersetzerin anfangs ein großes Misstrauen entgegenschlug. Doch später, so Bührmann, entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den Frauen.
Die Unzufriedenheit hatte sprachliche Gründe, die sich nicht ohne Weiteres umgehen ließen: So ließ sich elles (das französische weibliche Plural-Pronomen sie) nicht in Sprachen wie Deutsch oder Englisch übertragen, ohne dass man es erklärte. In deutschen Übersetzung war dann von „Sie, die Frauen, ..“ zu lesen. Doch das Wort mochte Wittig nicht, der Begriff „Frau“ war für sie verpönt. Wittig hielt auch nichts von den – wie sie es nannte – „Anhängseln“ an männliche Formen, wie etwa im Deutschen -innen oder im Französischen -ée. Sie war gegen die Feminisierung der Sprache, wollte Geschlechterkategorien auch hier aufheben.

Foto: Hilde Muffel
Das Buch „Guérillères“, in dem Wittig unabhängige Frauen verkünden ließ: „Die Welt gehört uns“, wurde in viele Sprachen übersetzt, darunter Englisch, Deutsch, Spanisch, Niederländisch und Russisch.
Mit 12 schon habe Wittig gewusst: Sie würde nie heiraten, jedenfalls keinen Mann. Am besten sei es, Single sein – oder jedenfalls nicht verheiratet. Das gab sie auch in einem späteren Interview zu Protokoll: Man soll besser gar nicht heiraten. Schließlich brauchten Frauen brauchten damals noch eine Genehmigung von ihrem Mann, außerhalb des Hauses arbeiten zu dürfen.
Wittig, die sich Mitte der 70er Jahren mit ihrer Freundin Sande Zeig in den USA niederließ, spaltete die lesbisch-feministische Szene aber mit der These: „Lesben sind keine Frauen.“ Denn die französische Theoretikerin kritisierte Heterosexualität als politisches System – einem System, dem Lesben sich verweigern (müssten) – und verwarf auch den „Mythos Frau“. Eine „Frau“ ergebe nach Wittig nämlich lediglich in heterosexuellen Denk- und Ökonomiestrukturen einen Sinn. Die Feindschaften, die aufgrund dieser Aussage entstanden waren, hielten bis zu Wittigs Tod.

Traude Bührmann (li) und E2H-Vorständin Christiane Härtel Foto: Hilde Muffel
Sie starb im Jahr 2003 in Tucson, Arizona. Im August 2017 wurde in Wittigs Heimatort Dannemarie eine Strasse nach ihr benannt.
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